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Aus der aktuellen Ausstellung „Das Beste aus den letzten 10 Jahren Museum im Rathaus“ präsentiert ihnen der Historische Verein Eglosheim einen weiteren Ausstellungspunkt

Vierte Ausstellung „Rechnen und Schreiben wie anno dazumal“ Eröffnungsbeginn 01.04.2012

Rechnen und Schreiben 01Im historischen Büro hat es einst gerattert und geklappert
So allgegenwärtig ist inzwischen der Computer, dass die Zeit der Rechen- und Schreibmaschinen unendlich lange her zu sein scheint. Die Zeit der mechanischen Rechen- und Schreibmaschinen ist endgültig vorbei. Die Epoche der mechanischen Schreibmaschine dauerte ziemlich genau 160 Jahre, und die der mechanischen Rechenmaschine aus früheren Jahrhunderten ist nach einem grandiosen Aufschwung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts heute sozusagen abgeschlossen, teilweise schon in Vergessenheit geraten. Längst hat der Computer Büros und den privaten Bereich erobert und steht aufgrund seiner technischen Intelligenz überall hoch im Kurs. Ohne Historie gibt es keinen Fortschritt. Neues baut auf Altbewährtem auf. Der technische Wandel schreitet allerdings mit riesigen Schritten voran, und wichtige Zeitepochen und technische Erfindungen aus den allerersten Anfängen des mechanischen Rechen- und Schreibmaschinenbaus gerieten schnell in Vergessenheit.
Unter dem Titel „Rechnen und Schreiben anno Dazumal“ kreierte der Historische Verein Eglosheim im Jahr 2012 einen Ausstellungsschwerpunkt im historischen Rathaus in Ludwigsburg-Eglosheim. Historische Rechenmaschinen des Waiblingen-Hohenacker Sammlers Arno Weber (+) und mechanische Schreibmaschinen von Lothar K. Friedrich aus grauer Vorzeit dokumentierten die raschen Veränderungen im historischen Büro, wo es einst ratterte und klapperte. Erinnert wurde in der Ausstellung mit einer gut 100 Jahre alten Rechenmaschine die raffinierte Umschalttechnik und daran, dass ganz in der Nähe von Ludwigsburg, in Kornwestheim, der Pfarrer Philipp Matthäus Hahn die erste Rechenmaschine baute, bei der die Zehnerübertragung funktionierte.

Die mechanischen Schreibmaschinen gerieten schnell in Vergessenheit. Das Schwinghebelprinzip des deutschen Erfinders Franz Xaver Wagner setzte sich gegen konkurrierende Systeme wie beispielsweise das Horizontalstoß- und das Unteranschlagprinzip durch. Der Aufstieg seiner Erfindung gelang allerdings nicht dem Südtiroler Peter Mitterhofer, sondern nach dem amerikanischen Bürgerkrieg (1861 bis 1865) den Amerikanern Sholes & Glidden und nachfolgend Remington. Den Wandel in der Aufschlagtechnik läutete der amerikanische Konkurrent Underwood ein, indem er das sofort sichtbar schreibende Wagner-Aufschlagsystem einsetzte. Erstaunen der Museumsbesucher lösten Schreibmaschinen aus, die damals von Bosch, Daimler und Carmen gebaut und nach kurzer Marktverweildauer aufgegeben wurden. Imposant war auch für die Besucher, dass viele mechanischen Schreibmaschinen Mädchennamen trugen – ein Beispiel: Mercedes oder: Carissima – meine Liebste. Ein spannender Wirtschaftskrimi offenbarte sich in der Auseinandersetzung zwischen der AEG Aktiengesellschaft, die 1883 in Berlin gegründet wurde, und von 1902 an Zeigerschreibmaschinen zuerst in Berlin, dann in Erfurt baute. Nach Ende des 2. Weltkrieges produzierte in Erfurt im Werk der AEG-Tochter Olympia die DDR dieselben Modelle, was für das Olympia-Werk in Wilhelmshaven 1948 Anlass zur Klage über die Markenrechte war. 1950 produzierte die DDR nach verlorenem Prozess weiterhin Schreibmaschinen, die sie unter dem Markennamen Optima vertrieb.
Die Museumsbesucher – zumeist die Damen - informierten sich auch über die Standardisierung der deutschen Tastatur, die sich sehr stark an das 1875 von den USA entwickelten Universal-Tastenfeld anlehnt.
Der Anfang vom Ende der mechanischen Rechen- und Schreibmaschinen nahm mit dem triumphalen Siegeszug der Mikroelektronik ihren Lauf. Die Zeit, als Konrad Zuse (1910 – 1995) den Röhrencomputer erfand, ist längst vorbei. Transistoren ersetzten elektrische Röhren, die dem Verschleiß unterlagen, und sie schalten Stromwege in Windeseile. 1980 erschienen elektronische Rechen- und Schreibmaschinen. Überhaupt kann man sagen, dass Rechen- und besonders Schreibmaschinen den sozialen Aufstieg der Frauen prägten.
Zur Verwunderung der Besucher führte das @-Zeichen auf der Tastatur von mechanischen Schreibmaschinen, die von USA-Firmen hergestellt wurden. Dieses Zeichen ist seit 45 Jahren ein Symbol weltweiter Erreichbarkeit via E-Mail und steht heute als Synonym für das Internet. Das @-Zeichen auf der amerikanischen Tastatur von Schreibmaschinen hatte damals die Bedeutung eines kaufmännischen Kürzels, das in der amerikanischen Kaufmannssprache verankert war, aber bei den deutschen Kaufleuten keine Akzeptanz fand.
Die Ausstellung vom Frühjahr bis Herbst 2012 besuchten zahlreiche Interessierte aus nah und fern.

Lothar K. Friedrich, Kurator der Ausstellung „Rechnen und Schreiben anno Dazumal“ und Mitglied des Historischen Vereins Eglosheim.

Fotos:
Abb. 1 Historische Schreibmaschine Merritt Modell A, Baujahr 1889
Abb. 2 Kleinschreibmaschine Liliput Modell A, Baujahr 1907
Abb. 3 mechanische Rechenmaschine Brunsviga Modell RK 13, Baujahr ca. 1965 (Fotos: Friedrich)

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Ausgabe Juli 2020 der Eglosheimer Nachrichten:

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