Damit unsere Vergangenheit eine Zukunft hat

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Neulautern HungertafelAm 27. Oktober 2017 fand im Vereinsheim des MVE der diesjährige Eglosheimer Kulturstammtisch des Historischen Vereins Eglosheim statt. Thema des Vortrags, der bei den Besuchern gut ankam: „1816/17 Das Jahr ohne Sommer und seine Folgen“.

Robert Gruss und Hans-Christoph Knippel berichteten über ein Ereignis, das vor 200 Jahren zwar auf der anderen Seite unseres Erdballs geschah, aber von dort aus Hunger, Not und Tod auf der ganzen Nordhalbkugel – besonders in Europa und Nordamerika – bewirkte. Auch das Königreich Württemberg und gar unser Eglosheim waren direkt davon betroffen.

Der Vortrag beschrieb – ausgehend von der politischen und wirtschaftlichen Lage 1800-1815 (Napoleonische Kriege und danach Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongress) – die Auswirkungen des „Jahrs ohne Sommer“ 1816, es wurde das zweitkälteste Jahr seit 1400. Monate langer Regen hatte riesige Überschwemmungen zur Folge, die Getreide- und Heuernten fielen aus, die Futtervorräte verfaulten. Der Winter begann im frühen Herbst. Man sprach von „Achtzehnhundertunderfroren“.
Auch Württemberg erlebte 1816/17 eine nie zuvor da gewesene Teuerung und Hungersnot. Die Folge: Seuchen, unzählige Hunger- und Kältetote, Scharen von Menschen wanderten aus. Ziele waren vor allem das Russland der Zarin Katharina II. (Bessarabien, Krim und Kaukasusgebiet), aber auch Amerika (Pennsylvania). Da halfen keine Warnungen der württembergischen Herzöge und nicht einmal ein Auswanderungsverbot, das unter dem Druck der Verhältnisse bald wieder aufgehoben werden musste.
Auch unsere engste Heimat war von dieser Auswanderungswelle betroffen: 1817 schifften sich 107 württembergische Familien auf dem russischen Segler „Vaterlandsliebe“ nach Philadelphia ein. Auf der erhalten gebliebenen Passagierliste stehen auch Namen aus Ludwigsburg und sogar Eglosheim.

Wie reagierte die Obrigkeit auf die Krise? Friedrich I., König „von Napoleons Gnaden“, fehlte die Sensibilität für die Not seines Volkes. Doch er starb im Jahr 1816, und sein Sohn Wilhelm I. übernahm die Herrschaft in diesem von Missernten und Hungersnot geprägten „Jahr ohne Sommer“. Er und seine Gattin, Königin Katharina Palowna, lösten starke Aktivitäten aus, die auf eine langfristige Verbesserung der Situation breiter Bevölkerungsschichten abzielten. Wilhelm forcierte den Ausbau der Landwirtschaft und reformierte Staat und Verwaltung, Katharina widmete sich der Armenpflege im Königreich Württemberg.

Doch was war die Ursache für dieses „Jahr ohne Sommer“? Viele glaubten, das Ende der Welt sei gekommen. Aber rund 100 Jahre später fand man die Erklärung: Im April 1815 fand auf der anderen Seite der Erdkugel eine Naturkatastrophe statt. Der Vulkan Tambora auf der indonesischen Insel Sumbawa war mit unvorstellbarer Gewalt explodiert. Starke Winde verteilten die Staub-, Gas- und Rußpartikel wie einen Schleier um den gesamten Erdballs und verdunkelten die Sonne. Der Winter 1815 auf 1816 wurde einer der kältesten der letzten Jahrhunderte. Die Abkühlung des Weltklimas dauerte noch mehrere Jahre an.
Erst die Ernte 1817 brachte wieder einen ausreichenden Ertrag. Der Einzug der ersten Erntewagen wurde festlich begangen; bildliche Darstellungen hiervon sind u.a. in Heilbronn und Ravensburg erhalten.

Langzeitauswirkungen:
• Durch König Wilhelm I.: Förderung der Landwirtschaft durch die Landwirtschaftliche Musteranstalt Hohenheim (heute Universität Hohenheim) und das Landwirtschaftliche Hauptfest (seit 1818, heute Cannstatter Volksfest - Kennzeichen bis heute: die Erntekrone).
Untersuchungen über die Bedingungen des Pflanzenwachstums durch den Chemiker Justus von Liebig (1803 – 1873) und Einführung der Mineraldüngung.
• Wetter- und Klimaerforschung, Zeichnung von Wetterkarten.
• Durch Königin Katharina: Planung und Leitung des Wohltätigkeitsvereins mit der Aufgabe der Hunger- und Katastrophenhilfe sowie Gründung der Württembergischen Sparkasse.
• Negative Auswirkungen: schleichende Umverteilung der Güter an Landadel und Gutsherren, dadurch Verarmung der niederen Bevölkerungsschichten, die deshalb in die Städte zogen und dort das Proletariat anwachsen ließen. Weitere Folgen: Migrationsbewegungen, Proteste, Unruhen sowie Diskriminierung der Juden.

So hatte ein Vulkanausbruch im fernen Indonesien vor 200 Jahren Folgen, die sich auch heute noch bis in unsere engste Umgebung auswirken.

Bildquelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Jahr_ohne_Sommer

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